Was macht Perfect Blue so furchteinflößend? | DE.MANGA.TOKYO
Dieser Artikel enthält Spoiler des Anime Perfect Blue. Sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt! Perfect Blue wurde im Jahr 1997 veröffentlicht und ist Satoshi Kons erster Film als Regisseur und vielleicht der beste animierte Psychothriller, den ihr jemals sehen werdet. Bis zum heutigigen Tage schafft es Perfect Blue dank seiner reifen Themen und seiner unglaublichen Geschichte immer auf dem neuesten Stand zu sein. Aber warum ist das so? Was genau macht Perfect Blue so unheimlich und aufregend? Auch wenn es gezeichnete Gewalt, detaillierte Nacktheit, Vergewaltigung und viel Blut gibt, sind dies nicht die einzigen Elemente, die den Film so furchterregend machen. Was ist real und was nicht? Perfect Blue spielt gerne mit der Realität, wie die meisten von Satoshis Werken. Er mag es, wenn die Zuschauer einen wunderschönen Mindfuck durchleben. Mima ist die Hauptfigur des Films und wird uns als junges Mädchen präsentiert, das nach Tokio gezogen ist, um ihren Traum Sängerin zu werden zu verwirklichen. Wir können sehen, dass sie außerhalb ihres Leben als Idol eine ganz gewöhnliche Person mit einem normalen Lebensstil ist. Dies macht sie zu einer sehr realistischen Figur. Als sie sich aber für einen Karrierewechsel entscheidet, wird sie gestalkt und so stark belästigt, dass sie nicht mehr weiß, was real ist und was nicht. Der Film reizt mit seinen cleveren Übergängen und Irreführungen das Wahrnehmungsvermögen der Zuschauer und macht die Geschichte damit hochgradig immersiv. Mimas ständige Unsicherheit und ihre Furcht führen dazu, dass ihre Persönlichkeit als Idol lebendig wird und sie Illusionen von sich selbst sieht, die sie verrückt werden lassen. Allerdings ist Mima nicht die Einzige, die verloren ist. Rumi, ein Ex-Idol mit einer gescheiterten Karriere, wurde von derselben Illusion besessen und hat ihr wahres Ich verloren. Selbst ihr ständiger Stalker Me-Mania glaubt die wahre Mima zu kennen, kennt aber am Ende nicht mehr als ihren Charakter. Was ist also real und was ist es nicht? Mimas Fehlschläge führen dazu, dass sie ihre eigenen Gedanken nicht mehr folgen und nicht mehr zwischen ihrer Online- oder TV-Persönlichkeit unterscheiden kann denn Satoshi Kon hält nur wenige Unterschiede für die Zuschauer bereit. Wir sollen Mima in ihren Verwirrungen folgen, die das schreckliche Szenario des an sich selbst Zweifelns verstärkt, bis zu dem Punkt, an dem du deine eigene Existenz in Frage stellst. Warum ist das Konzept der Story so aufreibend? Auch als die Jahre vergehen wird Perfect Blue immer aufreibender. Als der Film herauskam machte das Internet seine ersten Schritte und niemand hatte auch nur eine Ahnung von Social Media und Internet Popularität. Der Film ist heutzutage relevanter als nie zuvor, da nun jeder seine eigene Persönlichkeit und sein Publikum online besitzt. Perfect Blue zeigt jemanden, der sich selbst verliert. Es handelt von Menschen, die uns auf eine Art wahrnehmen, die wir uns nicht wirklich aussuchen können und diese Wahrnehmung wird zur Realität. Wir sehen, wie der fiktionale Charakter überhand nimmt. Was würde passieren, wenn jemand in einer Welt, die sich so real anfühlt, die Kontrolle über diesen Charakter verliert? Diese Vorstellung würde jeden durchdrehen lassen, insbesondere in der heutigen Zeit, in der die Menschen eine andere Seite von sich online und auf Social-Media präsentieren wollen. Nehmt zum Beispiel mich, die Person, die für euch (mein Publikum) diesen Artikel verfasst. Würde es nicht unheimlich sein, sich vorzustellen, dass die Person, die das hier schreibt, nicht mehr dieselbe ist, wenn sie damit aufhört? Habe ich es geschafft euch Angst einzujagen? Ich jedenfalls hatte welche bei diesem Gedanken... Idols, Popularität und Fangemeinden Wenn ihr während des letzten Jahrzehnts im Internet aktiv wart, würdet ihr wissen, dass Fangemeinden etwas sind, das man nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen sollte. Es gibt Hardcorefans da draußen, die sich für alles begeistern können, egal ob es sich um Anime, Bands oder Künstler, Shows oder Idols, Internet Celebrities oder Models handelt. Alles kann eine Fan-Base besitzen. Eines der vielen Themen, die Perfect Blue aufgreift, geht darum, dass die Unterhaltungsindustrie eine hässliche Welt ist. In unserer Zeit kann dies niemand mehr bezweifeln. Es ist eine starke Kritik an der Entmenschlichung von Prominenten und erinnert an die Wichtigkeit der eigenen Identität. Idols müssen riesen Stress und Druck bewältigen, um einen "großen Hit" zu landen. Sie werden als Produkte behandelt anstatt als menschliche Lebewesen und viel mehr als Profit angesehen als alles andere. Mima ist dafür ein gutes Beispiel. Sie wird von ihrer Agentur manipuliert, Dinge zu tun, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben möchte. Und all das nur, weil man ihr erzählt, dass dies ihre Karriere fördern würde. Sie hat die Hoffnung auf Großes und tut Dinge gegen ihren eigenen Willen. Was hat all dies mit Fangemeinden zu tun? Fans und im Speziellen hingebungsvolle Fans unterstützen ihre Idos nicht immer positiv. Es ist tatsächlich genau das Gegenteil. Wenn sie bemerken, dass ihre Idole sich selbst sind und ihre eigenen Entscheidungen treffen, lässt sie das verrückt werden, weil sie zu wissen glauben, was für sie das Beste ist. Fans wie Borderline-Stalker dringen immer wieder in die Privatsphäre der Idols ein - bis hin zu alltäglichen Drohungen und Belästigungen. Dies ist krank und genau dies passiert unglücklicherweise. Ich muss noch nicht einmal Beispiele dafür heranziehen. Seht euch nur all die Dinge an, die Fans der Kpop-Szene alltäglich tun (von vergifteten Kuchen als Geschenk bis hin zu Einbrüchen um in die Zimmer der Idols zu kacken). Wenn sich Idols solcher Leute bewusst werden, wie können sie so weiter berühmt werden wollen und wie könnten sie sich da nicht täglich um ihr Leben fürchten mit dem Gedanken im Hintergrund, dass ihnen jemand aus Liebe oder Hass wehtun könnte? Stil & Richtung Die Richtung des Films soll das Verständnis des Zuschauers verzerren. Besonders zum Ende hin wird alles sehr verwirrend. Als Mima anfängt die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, fangen die Szenen an zusammen zu schmelzen. Wir geraten von ihrem Apartment zu einem Filmstudio und vice versa. Szenen, die scheinbar aus Mimas Alltagsleben stammen, werden dargestellt, als gehörten sie zur "Double Bind" Show. Die Spannung steigt dann sogar noch mehr, denn Mima weiß nicht mehr, in welcher Realität sie sich befindet. Ein gutes Beispiel, wie der Film mit diesem Thema spielt, ist die berüchtigte Vergewaltigungsszene, in der wir die Integration von Realität und Fiktion erleben. Als die Szene beginnt, scheint alles sehr real. Der Mann vergewaltigt Mima während sie beginnt zu schreien und genau da macht der Regisseur ein Cut. Die Szene wird hier so genial unterbrochen, dass die Obszönität ihren Höhepunkt erreicht. Der Mann, der sie vergewaltigt, entschuldigt sich bei ihr und schauen zurück auf das leere Gesicht von Mima. Sie ist offensichtlich nicht glücklich mit dem, was sie macht. Die Fiktion dieser Show erreicht an diesem Punkt einen Level von Realismus, als wenn all dies wirklich passiert wäre. Hier beginnt das Verschmelzen der alltäglichen Ereignisse mit denen von "Double Bind". Satoshi Kon nutzt wirklich die Umgebungen und die Farben im Film, um das Verständnis für die Situation der Zuschauer zu verbessern. Am Anfang scheint alles einen ausgewaschenen Ton zu besitzen und Mimas Umgebung sieht gut platziert und beruhigend aus. Aber als ihre Situation düsterer wird, werden die Farben sehr hart und extrem gesättigt, bis zu dem Punkt, dass sie die Szene überstrahlen und eine Metapher für ihren mentalen Zustand darstellen. Die Verwendung der Farbe Rot ist während des ganzen Films besonders interessant. Eine Farbe die symbolisch für Blut, Gewalt und Sexualität steht, kann fast überall im Hintergrund der wichtigsten Szenen ausgemacht werden. Als Mima im Badezimmer des Fotografen eingeschlossen ist, sind die Wände überwiegend rot, was den inneren Aufruhr mit ihrem Idol-Selbst unterstreicht. Als der Drehbuchautor auf dem Parkplatz den Fahrstuhl nimmt, sehen wir eine Aufnahme des intensiv roten Fahrstuhlbodens und hören eine Musik aus einem Radio, welches Mimas Musik sehr laut spielt. Dies symbolisiert, wie sich das Idol Mima inmitten eines Ozeans aus Blut befindet. Und die Liste geht noch weiter. Die Wände in Mimas Apartment sind ebenfalls rot und das Skript, als sie die Szene ihrer Vergewaltigung liest, besaß ein rotes Cover. Und natürlich das rote Kleid, das Rumi am Ende trägt, als sie versucht sie zu töten. Gibt es ein Happy End? Jedes Mal wenn ich mir Perfect Blue ansehe, habe ich immer mehr Fragen bezüglich der Themen und der Handlung. Aber was mich bis heute wirklich beschäftigt, ist das Ende. Zuerst dachte ich, dass alles ein fröhliches Ende nehmen würde. Mima würde erfolgreich werden und ihr wahres ich finden. Aber nach erneutem Schauen des Films, jetzt wo ich älter bin, verstand ich, dass der Film ein eher interpretierbares Ende besitzt. Wir sehen Rumi in der Einrichtung, in der sie stationiert ist und Mima besucht sie. Mima sagt zum Arzt: "Dank ihr bin ich heute die, die ich bin." Auf dem Weg zum Auto halten sie einige Krankenschwestern für die renommierte Schauspielerin Mima Kirigoe, sagen aber am Ende: "Ich schätze sie war nur jemand, die ihr ähnelt." Als Mina endlich in ihr rotes Auto einsteigt, schaut sie in den Spiegel und sagt lächelnd: "Nein, ich bin real." Ist sie jetzt die Mima, die Schauspielerin werden wollte oder ist sie das Idol Mima, welches sie nun vollständig übernommen hat? Zum ersten Mal im gesamten Film sehen wir den klaren Himmel im Hintergrund, einen "perfekten blauen Himmel" wenn ihr so wollt. Bedeutet dies, dass sie das geworden ist, was sie schon immer werden wollte und hält sich für perfekt oder wurde sie perfekt weil andere Menschen sie jetzt sehen können? Es ist unmöglich, dass Illusionen Wirklichkeit werden. Perfect Blue ist eine Geschichte, die man erleben muss. Es ist auf jeder erdenklichen Art ein Meisterwerk. Von der Art, wie die Farben und Richtungen verwendet werden bis hin zum Voice Acting und den detaillierten Szenen. Alles arbeitet so gut zusammen, dass es fast unmöglich ist, es nicht zu bewundern. Perfect Blue schafft es zu zeigen, dass wahrer Horror auf vielen verschiedenen Wegen erfahren werden kann. Auch wenn sich hier mehr auf der psychologischen Seite des Horrors konzentriert wird, gibt es Szenen mit obszöner Gewalt, die euch zum Weinen bringen werden. Es ist ein Film, der euch in einen konstanten Denkprozess versetzt und auch nur das kleinste Detail besitzt eine Bedeutung und einen Grund dort zu sein. Mit anderen Worten schafft es Perfect Blue ein zeitloser Titel zu sein, etwas das jüngste Filme nicht schaffen. Perfect Blue Anime Film 1998 Originalwerk: Takeuchi Yoshikazu Leitung: Kon Satoshi Charakter-Design: Hamasu Hideki, Kon Satoshi Musik: Ikumi Masahiro Werk: Madhouse, Oniro